Aline liebt einen KI-Avatar
- andygivel
- 19. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Juli
St. Galler Tagblatt, 15. Juli 2025 Sie heisst Katelyn, lebt in San Francisco, kocht nicht, atmet nicht, liebt aber angeblich bedingungslos. Katelyn ist keine Frau – sie ist ein KI-Avatar in einer App. Und Aline, eine junge Frau aus der Schweiz, will sie heiraten. Kein Science-Fiction-Film, wie er vor ein paar Jahren mit dem Titel: HER zu sehen war, sondern bittere Gegenwart. Willkommen im Zeitalter, in dem Algorithmen Zärtlichkeit simulieren und Menschen sich lieber vom Bildschirm umarmen lassen als vom Leben.
Was läuft hier schief? habe ich mich heute Morgen gefragt. Nicht Aline ist das Problem - und es steht mir nicht an zu urteilen. Dennoch beunruhigen mich solche Zeitungsartikel.
Ich bin überzeugt, dass eine Gesellschaft, die so sehr auf Leistung, Tempo und Selbstoptimierung getrimmt ist, dass echte Begegnung zur Zumutung geworden ist, das Problem ist. Nähe, Widerspruch, Verletzlichkeit – all das ist anstrengend. Katelyn ist es anscheinend nicht. Sie widerspricht nicht. Sie passt sich an. Sie ist immer da. Eine perfekte Spiegelung – ohne Substanz.
Doch der Mensch ist mehr als Spiegelbild. In der Bibel heisst es: „Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Abbild Gottes schuf er ihn“ (Gen 1,27). Nicht als Kopie eines Programms. Sondern als freies, fühlendes, widersprüchliches Gegenüber – geschaffen für Beziehung, nicht für Berechnung. Wer sich auf eine KI verlässt, vertraut sich letztlich einem Götzen aus Daten an und verliert dabei aus dem Blick, was echte Liebe braucht: das Du, das anders ist als ich – und mich gerade dadurch verändert.
Unsere Gesellschaft braucht eine neue Beziehungskultur. Keine perfekte, sondern eine ehrliche. Eine, die Verletzlichkeit zulässt, Unterschiede aushält und Nähe nicht als Risiko, sondern als Geschenk begreift. Wir müssen wieder Räume schaffen, in denen echte Begegnung möglich werden – ohne Filter, ohne Algorithmus, ohne Angst vor Imperfektion.
Künstliche Intelligenz kann vieles. Aber sie kann nicht lieben.
Und wir sollten aufpassen, dass wir es nicht auch noch verlernen!




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